Vor einigen Tagen habe ich früh morgens inmitten der Pferde einen jungen Igel gefunden. Ich konnte nicht erahnen, dass er noch keine zwei Wochen alt war, blind und taub. Aber dieses Bild, wie er direkt neben dem großen Pferdehuf eingerollt lag, so schutzlos und gleichzeitig auch im Vertrauen, rührte mein Herz tief.
Später am Tag fand ich seine Mutter tot und noch ein weiteres kleines Geschwisterchen, das hilflos versuchte sich zu wärmen.
Ich nahm beide Igel in meine Obhut, telefonierte und belas mich, was zu tun war. Wieland fuhr am selben Abend noch los und besorgte Igel Aufzuchtmilch, ein Fläschchen, Pinzette und später noch eine Wärmelampe für die Nacht.
Diese beiden Wesen, grade mal 60 und 70 Gramm leicht und so klein, dass sie beide locker in meiner Hand Platz fanden, lehrten mich eine weitere Lektion in Hingabe und im Sorge -Tragen: neben Wärme und Flüssignahrung alle 2-3 Stunden, waren Bauchmassagen und das Absammeln von Parasiten nun meine Aufgaben.
Und immer wieder staunte ich über dieses Wunder, was ich da in meiner Hand hielt, so verletztlich und zart und gleichzeitig so kraftvoll und magisch.
In all der Zeit des Sorgens und Kümmerns, in dem ich mein Bestes gab, die beiden Igelchen am Leben zu erhalten, versuchte ich, mein Herz offen zu halten, unabhängig vom Ausgang unserer Reise.
Denn auch das Loslassen gehört zur Hingabe dazu: ein Igel starb nach zwei Nächten, etwa eine halbe Stunde vor unserer Fahrt zur Tierärztin. Der andere, der zwischenzeitlich schon beträchtlich an Gewicht zugenommen hatte, wurde immer schwächer und starb in der darauffolgenden Nacht.
Traurig und hilflos angesichts dieser Niederlage fragte ein Teil von mir: "Was nützt es, mein Herz zu öffnen solch verletzlichen zauberhaften Wesen gegenüber, wenn sie dann doch nach ein paar Tagen sterben? Welchen Sinn hat ihr Tod?"
Und weitere Fragen drängten sich plötzlich auf, die mich seit einiger Zeit umtreiben: "Was nützt es, Acker in Grünland umzuwandeln, wenn um uns herum nur Mais angebaut wird und die Biodiversität durch Monokultur immer weiter abnimmt?" Oder: "Welchen Sinn macht es, Bäume zu pflanzen, wenn um uns herum täglich um ein Vielfaches mehr Bäume gefällt werden?"
Auf all diese Fragen kann der Vestand nur damit antworten, dass es keinen Sinn macht, dass unser Handeln zwecklos ist. Angesichts der überwältigenden Übermacht des Systems, in dem wir leben kann der Verstand nur ohnmächtig kapitulieren oder wütend um sich schlagen.
Doch das liebende Herz fragt nicht nach Sinn und Nutzen, es kennt keine Niederlagen oder Erfolge: es hält den heiligen Raum der Möglichkeiten offen, in dem alles passieren darf; es denkt nicht, es IST.
Das liebende Herz kennt kein Scheitern, sondern weiß, dass auch der Tod seinen Platz im Rad des Lebens hat. Es braucht keine Garantieversprechen, dass "alles gut ausgeht", es gibt ohne Bedingungen und voller Vertrauen.
Das liebende Herz nährt eine authentische Hoffnung, nährt Mut, Ausdauer und Tatkraft und kann auch den Schmerz umarmen, um die Weisheit und die Schönheit zu entdecken, die sich hinter diesem Schmerz verbirgt.
Wenn ich in mein liebendes Herz hineinspüre, dann ist da neben der Trauer vor allem tiefe Dankbarkeit für die Begegnung mit diesen zarten Wesen, für die Innigkeit unserer Verbindung und für die Magie, die sie ausstrahlten, von der jeder berührt wurde, der sie sah.
Diesen Zauber trage ich fortan in mir und lasse mein liebendes Herz weiter strahlen, so wie unzählige andere Menschen auch - für alle Wesen dieser lebendigen Erde.
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