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Dem Chaos der Welt begegnen - von dem Ort der Unversehrtheit und Reinheit unserer Herzen




Der Herbst ist die Zeit der Ernte und so ist auch die nachfolgende Erzählung eine Art der Ernte, des Einsammelns von Einsichten und Erlebnissen, die Essenz der Erfahrungen der letzten Monate, die so vielschichtig waren und mich so vieles gelehrt haben.

Diese Essenz wird gespeist aus authentischen Begegnungen mit Menschen hier in Amalion und aus einer Kraft der Gemeinschaft, die wir in verschiedensten Konstellationen erlebt und gelebt haben.

Sie wird gespeist aus dem Sein mit dem Herzensacker und dem Hüten des Landes, dass sich seit 2017 regeneriert, sowie aus der Verbundenheit mit der Herde, mit der ich täglich über dieses Land streife.

Hier kann ich Kraft schöpfen, nicht um die Augen vor dem Chaos der Welt zu verschliessen, sondern, um mich ganz in mir und mit der Erde zu verwurzeln und aus diesem verwurzelten Sein heraus zu leben und ins Handeln zu kommen.

Es ist ein unmarkierter Pfad, den ich beschreite und doch gibt es Zeichen, die ich mit dem Herzen ausfindig machen kann, um mich nicht zu verlaufen.

Und es gibt Unterstützung auf dem Weg: in der Verbindung und im Austausch mit allem Lebendigen hier in Amalion, in Form von verschiedensten Seminaren und Weiterbildungen, online und in Präsenz und im gemeinsamen Leben und Kreieren mit Wieland und den unzähligen sichtbaren und unsichtbaren Wesen hier auf dem Hof. Dabei erlebe ich auch das Paradox, dass, angesichts des Chaos, der Zerstörung und Ungewissheiten, der Weg freudvoll sein darf: es ist in meiner Verantwortung, tiefes Glück und Leichtigkeit zu empfinden, um Kraft für den Weg zu schöpfen.


Dieser Text ist ein Versuch, der enormen Zerstörung unseres Planeten und des unermeßlichen Leids, dass wir Menschen uns gegenseitig und auch anderen Spezies antun, einen Spiegel vorzuhalten - und darin mich selber zu erkennen.

Es ist der Versuch, mich nicht von diesem Bild abzuwenden, sondern präsent zu bleiben, ganz pur, ohne Urteil und auch ohne Scham.

Es ist ein Versuch, weit zurück zu reisen - weit hinab bis zu den Wurzeln allen Seins, jenseits der Trennung - und hier eine Reinheit des Herzens zu finden, die alle Jahrtausende dieser Trennung überdauert hat, die unversehrt in mir und in jedem Menschenwesen schlummert.

Hier geht es nicht um Recht oder Unrecht, es geht nicht darum, die besseren Argumente zu haben, sondern es geht um ein radikal anderes Sein in und mit der Welt, von der wir ein unternnbarer Teil sind.

Letzten Endes geht es um nichts weniger als die Frage, wie wir als Menschheit mit und nicht nur auf dieser Erde, die alles Leben gebiert und uns nährt, leben wollen.





"The tribe is gathering" - der Clan versammelt sich - so lautet die erste Zeile eines Liedes, dass der Herzensacker mir im Laufe dieses Sommers geschenkt hat.

Der Clan ist die mehr-als-menschliche Gemeinschaft, die zusammenkommt, nicht etwa, um über uns Menschen zu richten, sondern, um mich, um Dich, um uns alle einzuladen, in den grossen Kreis des Lebens (wieder) einzutreten und aus unseren Herzen heraus zu sprechen.

Die Gemeinschaft des Lebens - allen Lebens - kommt zusammen und lauscht unserer Geschichte mit offenem Herzen, nicht mit Urteil, sondern mit Mitgefühl.

Die Geschichte, die wir als Menschheit erzählen, ist eine Geschichte vom Getrennt-Sein, von Isolation, von Überheblichkeit und Gefühllosigkeit, eine Geschichte von millionenfachen Mord und Totschlag, von unvorstellbarem Leid und unendlicher Trauer - es ist die Geschichte, in der auch ich unzählige Male sowohl Opfer als auch Täter war.

Es ist die Geschichte vom Abstieg, nicht nur eines Volkes, sondern einer gesamten Spezies, die jetzt kollektiv ganz unten, in der schwärzesten Nacht der Seelen, angekommen ist und am Wendepunkt steht.


Der Clan versammelt sich und lauscht voller Liebe und Mitgefühl und ich, die ich diese, unsere Geschichte erzähle, spreche nicht aus der Wut und Verzweiflung heraus, nicht aus Scham oder aus dem Wunsch, dass mir endlich Gerechtigkeit widerfährt, ich spreche nicht aus der Angst heraus und auch nicht aus Hass oder Selbstmitleid - obschon alle diese Gefühle zweifellos spürbar sind, lasse ich mich nicht vom Wesentlichen abbringen: ich sprechen aus der Liebe heraus.

Es ist die tiefe Liebe zu allem Lebendigen, also auch die tiefe Liebe zum Mensch-Sein und die unendliche Sehnsucht, endlich wieder nach hause zu kommen, die mich sprechen lässt, die mich berührbar macht und wieder fühlen lässt.

Indem ich vor diesen liebevollen Zeugen, die meine Geschichte mit reinen Herzen empfangen, spreche, kann ich alle Erfahrung, alle Gefühle, alles Unaussprechliche - das tiefe Leid genauso wie die unbändige Freude - durch mich hindurch fliessen lassen und durch diesen heilenden Fluss zur Reinheit und Unversehrtheit meines Herzens zurückfinden.

Der reinigende Fluss trägt mich durch die Jahrtausende unserer menschlichen Geschichte und ich kann sehen: von dieser, unserer Menschheitsgeschichte aus betrachtet, ist es noch nicht sehr lange her, dass wir uns von unserer All-Verbundenheit abgetrennt haben - oder getrennt wurden.

Was immer diese Trennung ausgelöst hat: sie hat ein traumatisches Erleben in uns ausgelöst, dass wir nicht überwunden haben und sich bis zum heutigen Tag in all unserem Sein, unserem Handeln, Denken und Fühlen widerspiegelt. Wir sind eine zutiefst traumatisierte Spezies, die von Generation zu Generation zu Generation ihr Trauma weiter gegeben hat an die nachfolgenden Generationen - und immer so fort, bis zum heutigen Tag. All unser Sein ist durchdrungen von diesem Trauma, dessen Ursprung verschüttet ist. Auf diesem Weg spalten wir immer mehr fühlende Anteile von uns ab, gleichgültig, ob wir grade die Opfer- oder Täterrolle einnehmen.


Um aus diesem destruktiven, selbstzerstörerischen Kreislauf auszubrechen, braucht es das Anerkennen und Annehmen unserer Traumatisierung, auf persönlicher und kollektiver Ebene.

Und es braucht das Gewahrwerden, dass es diesen Ort der Unversehrtheit und Reinheit unserer Herzen gibt - tief in jedem Menschen.


Wenn ich weit genug zurück reise, an den Ort vor unserem Trauma, dann ist die Erinnerung noch sehr lebendig in mir. In meinen Zellen gespeichert, schwingt sie als heilende Energie durch alle Schichten hindurch.

Ich brauche Mut, um mich auf diese Reise zu begeben: eine Reise zurück zu mir selber, zu unserem ursprünglichen menschlichen Sein. Immer wieder falle ich in die Abspaltung, in das Nicht-Fühlen, zurück, denn (noch) leben wir in dieser Gesellschaft, in der Abspaltung und Nicht-Fühlen scheinbar überlebensnotwendig sind.


Und doch ist es meine und unser aller Aufgabe, diese Abspaltung immer weiter aufzulösen, immer mehr zu fühlen, ein anderes Sein in und mit der Welt zu leben.

Es ist an mir, an Dir, an jedem von uns Menschenwesen, aufzuwachen und aus dem ewigen Kreislauf von Urteil und Verurteilen, von Argumenten und Lösungsansätzen, die einzig unserem Verstand entspringen, auszutreten. Der Verstand alleine kann uns aus diesem Dilemma nicht befreien, denn er ist so sehr in dieses System verstrickt und gefangen, dass daraus nur weiterer Hass, weiterer Krieg, immer weitere Ausbeutung, weiteres Nicht-Fühlen und Abgetrennt-Sein entspringen kann.

Wenn wir immer wieder ausschließlich die alten Muster bedienen und uns innerhalb der alten Muster bewegen, inszenieren wir weiterhin endlos unsere eigenen Dramen, die für so viele andere Wesen tötlich sind.

Es ist an der Zeit, innezuhalten.


Der Clan der mehr-als-menschlichen Gemeinschaft versammelt sich: die Baumweisen, alle Pflanzen- und Tierwesen, die Weisen aus dem Reich der Mineralien, all die sichtbaren und unsichtbaren Unterstützer und Helfer - Mutter Erde selbst lädt uns ein, die wir als Spezies die Jüngsten sind von all ihren Kindern.

Sie alle flüstern uns zu : "Es ist Zeit, nach hause zu kommen. Lange genug hast du die Erfahrung der Getrenntheit durchlebt und durchdrungen. Du bist zutiefst geliebt und willkommen in diesem Kreis, Menschenwesen. Hier ist dein Platz, in diesem Kreis, an unserer Seite."


Sie ermutigen mich, kraftvoll all die oberflächlichen Gründe, die Geschäftigkeit, die Kontrollsucht, die Verlustangst und die zerstörerischen Gewohnheiten beiseitezuschieben und in den Kreis des Lebens wieder einzutreten.

Indem ich zurückkomme in diesen heiligen Kreis, rückverbinde ich mich mit dem Ort der Unversehrtheit meines Herzens.

Aus diesem Ort heraus kann ich meine Geschichte erzählen, mich von ihr berühren lassen und all die Wesen im Kreis berühren. Sie alle horchen aus ihren liebenden Herzen heraus, nehmen meine Geschichte voller Mitgefühl in sich auf, weinen die Tränen, die ich zurückhalte seit so langer Zeit und die nun endlich fliessen dürfen.

Mutter Erde nimmt die Tränenflüsse auf und transformiert sie in reine Liebe.

Und ich fühle mich leicht und freudvoll und weiss: ich bin zu hause angekommen.


Es bleibt die Essenz all unserer kollektiven Erfahrung, die uns tiefe Weisheit schenkt, die immer verwoben ist mit dem Kreis des Lebens und aus diesem Kreis heraus gespeist wird.

Wir sind nach hause zurück gekehrt, alt und neu zugleich. Unser Fühlen und Handeln, unser Denken, unser gesamtes Sein auf diesem lebendigen Planeten, der unsere grosse Mutter ist, wird fortan dem Wohle des Grossen Ganzen dienen.


Wir dürfen unseren Platz im Grossen Kreis des Lebens einnehmen: wir sind als Menschheit weise Hüter und Hüterinnen der Erde.




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